ORCA
ORCA ist unser Wettbewerbsflugzeug für die New Flying Competition 2022 (NFC22) und wurde zwischen Sommer 2021 und Sommer 2022 entwickelt und gebaut. Aufgrund des Tailsitter-Konzepts ist ORCA VTOL (Vertical Take-Off and Landing) fähig. Für den Wettbewerb wurde eine Strecke von 10km mit 2kg Payload geflogen. Im unteren Teil des Rumpfes kann eine Kamera montiert werden, mit der im Flug Markierungen am Boden erkannt werden können. Alle weiteren Anforderungen können der Aufgabenstellung der NFC22 entnommen werden.
Konzept
ORCA ist ein Tailsitter-VTOL, steht also beim Start und der Landung auf dem Heck. Bei diesem Konzept sind nur 4 Motoren nötig (2 an den Flügeln und 2 an der Finne), außerdem muss keiner der Motoren mit einem Servo oder Aktuator bei der Transition vom Hoverflug zum Flächenflug gekippt werden. Im Flächenflug erzeugen die zwei Motoren an den Flügeln genug Vortrieb zum Fliegen, sodass für den Reiseflug die Motoren an der Finne abgeschaltet werden. Aufgrund dieser Doppelfunktion der Motoren und der Einschränkung auf kommerziell verfügbare Motoren und Propeller muss ein Kompromiss zwischen Hover- und Flächenflug gewählt werden. Dadurch kann bei der Effizienz nicht das volle Potential der Motor-Propeller-Kombination ausgeschöpft werden, allerdings wird das Gewicht und der Wartungsaufwand für weitere Antriebe oder Aktuatoren eingespart.
Der Auftrieb im Flächenflug wird von dem Nurflügel erzeugt, der mit insgesamt vier KST X10-Servos für Querruder, Höhenruder, Landeklappen- und Bremsklappenstellungen ausgestattet ist. Die Spitzen des Flügels dienen zusammen mit den Spitzen der Finne als Landewerk. Durch die Nurflügelkonfiguration muss kein Höhenleitwerk mit entsprechendem Hebelarm eingesetzt werden und der Rumpf bleibt kurz. Die Tragflächen sind über eine Steckverbindung mit dem Rumpf verbunden, dadurch ist ORCA im demontierten Zustand sehr kompakt und transportabel. Die aerodynamische Flügelauslegung fand mit den Tools XFLR5 und flow5 statt. Zusammen mit den gesammelten Erfahrungen aus den Prototypen konnte so ein leistungsfähiger Nurflügel entwickelt werden, der sich in der Flugerprobung bewährt hat.
Struktur
Rumpf
Die Struktur kann in drei Teile (Rumpf, Flügel und Finne) zerlegt werden. Der Rumpf besteht aus einem Fachwerk und der Außenschale und beinhaltet die Payload, die Akkus, die Regelungselektronik und die Kamera. Dabei ist das Fachwerk aus CFK-L-Profilen für die Lastübertragung verantwortlich. Die zwei Montageplatten im vorderen Teil des Rumpfes sind in Sandwichbauweise mit CFK-Deckschichten und Kernen aus Holz gefertigt. Darauf werden die Kamera, die Batterien und die Flugsteuerelektronik befestigt. Zwischen den Platten sind zwei CFK-Rohre angebracht, die als Flügelaufnahme dienen. Im Mittelteil des Rumpfes befindet sich die Cargo Bay, in der die Payload untergebracht werden kann. Die aus der Aufgabenstellung vorgegebene Abmaße der Payload sind hauptverantwortlich für die Größe und Form des Rumpfes. Im hinteren Rumpfteil ist das Fachwerk so konstruiert, dass dort die Finne angebracht werden kann und sowohl die Kräfte durch das Seitenruder als auch die Kräfte durch die Antriebe und der Landestoß aufgenommen werden können. Die Außenschale wurde aus zwei Schichten CFK-Laminat gefertigt, ist nicht lasttragend und dient nur der aerodynamischen Verkleidung. Für die Zugänglichkeit der Elektronik und der Nutzlast gibt es jeweils auf der Unter- und Oberseite eine Luke. Die abnehmbare Rumpfnase erhöht die Zugänglichkeit der Elektronik im vorderen Teil des Rumpfes zusätzlich.
Flügel
Die Flügel bestehen aus einem Schaumkern aus Styropor, der durch Balsaholzrippen gestützt und von einer GFK-Schale umschlossen wird. Der Schaumkern wurde mit einer eigens dafür konstruierten Hotwire-CNC-Maschine hergestellt, die softwareseitig auf Open Source Systemen basiert. Um trotz der hohen Pfeilung des Flügels eine hohe Fertigungsgenauigkeit zu erreichen wurden umfangreiche Parameterstudien geführt. Die Balsaholzrippen unterteilen den Flügel in zwölf Segmente (Bild rechts). Sie sind mit dem Steg verzahnt und wurden mit einem Lasercutter gefertigt. Der Steg bildet zusammen mit an den Oberflächen auflaminierten CFK-UD-Bändern einen Holm mit I-Profil entlang der 25% Linie des Flügels. Dieser Kompositholm nimmt das Biegemoment entlang des Flügels auf. Die GFK-Schale, die die Kerne und Rippen umschließt, besteht aus ±45° um der Torsion entgegen zu wirken.
Finne
Die Finne dient zum Tragen des gesamten Flugzeugs im Stand und bietet Platz für zwei Motoren. Im Reiseflug dient die Finne nur zur Stabilisierung um die Hochachse und muss dank der gegenläufigen Rotoren auf den Flügeln kein Moment ausgleichen. Deshalb wurde auf ein Seitenruder verzichtet. Diese Entscheidung beruht auf den Erfahrungen mit den diversen Prototypen und auf der Tatsache, dass bei diesem unbemannten Fluggerät der Passagierkomfort keine Rolle spielt. Die Finne besteht aus einem 8mm dicken CFK-XPS-Sandwichaufbau, der zusätzlich an Vorderkante durch ein CFK-Rohr versteift wird. Ein weiteres Rohr verläuft mittig, um die Kabel für die Motoren zu führen. Zur Reduzierung der Fertigungskomplexität wurde die Finne als ebene Platte mit abgerundeter Vorderkante und dünn auslaufender Hinterkante konstruiert.
Elektronik
Für den Antrieb werden vier Hacker A50-14L Brushless-Motoren verwendet, die mit Aeronaut 15×8 2-Blattpropeller bestückt sind. Angesteuert werden die Motoren mit APD 80F3 Controllern. Die Motoren werden von LiPo-Akkus mit Energie versorgt. Das Akkupack setzt sich aus vier 4S 4000mAh zusammen, wobei jeweils 2 davon in Reihe geschaltet sind um ein 8S System mit 29,6V Betriebsspannung zu erzeugen.
Für die Flugsteuerung wird ein Orange Cube von Pixhawk verwendet. Der Orange Cube hat Beschleunigung- und Höhenmesssensoren, zur Ermittlung der Fluglage und Flughöhe, integriert. Außerdem sind ein GPS-System (ArduSimple RTK2B) zur Positionsbestimmung und ein LIDAR zur genauen Höhenmessung in niedrigen Höhen angeschlossen. Die Motorcontroller und die Servos zur Flugsteuerung sind ebenfalls mit dem Orange Cube verbunden. Zur manuellen Kontrolle des Flugzeugs ist ein Receiver für FRSKY-Fernsteuerungen angeschlossen, die automatische Reglung des Fluges erfolgt mit der Ardupilot Software und für die Konfiguration am Boden wird Missionplanner genutzt. Um die Ausfallsicherheit zu erhöhen werden der Orange Cube und die Servos mit einer separaten Stromquelle, einem ein 2S LiIon Akku mit 7000mAh, versorgt.
Survey Mission
ORCA verfügt über die Hard- und Software um eine Survey Mission zu fliegen und dabei relevante Punkte am Boden zu lokalisieren. Dafür sind ein hochauflösendes Kamerasystem sowie ein Companion Computer an Bord.
Die Kamera ist eine Allied Vision Industriekammer mit einer Auflösung von 20,2 MP und einem Kowa LM12FC24M Objektiv mit 12 mm Brennweite. Dadurch ergibt sich ein Blickfeld von 57 Grad und eine Ground Resolution von 2 cm/Pixel (bei 50 m Flughöhe). Aufgenommen werden Einzelbilder, die auf einem Raspberry Pi 4 ausgewertet werden. Um Gewicht zu sparen, ist die Kamera starr mit dem Rumpf verbunden und nicht an einem Gimbal aufgehängt.
Zur Lokalisierung der Marker müssen diese im ersten Schritt im Bild erkannt werden. Dies geschieht über den Einsatz eines neuronalen Netztes, welches die Klassifikation der Marker übernimmt. Dem vorgeschaltet, ist ein Algorithmus zum Vorsortieren der Bilder. Dieser durchsucht das Bild nach roten Flächen und schneidet diese zu. Nur diese zugeschnittenen Bildteile werden dann von dem neuronalen Netz analysiert. Dieses Verfahren ermöglicht den Einsatz eines Raspberry Pis, trotz seiner begrenzten Rechenleistung.
Zu jedem Bild wird vom Flightcontroller System die Aktuelle Position sowie Lage des Flugzeugs abgefragt. Mit diesen Informationen ist es möglich, von der Position des Markers im Kamerabild auf seine Position in der realen Welt zurückzurechnen.
Das von uns entwickelte System bietet viele Vorteile:
- KI Modell auf andere Marker oder beliebige Objekte anpassbar
- Erkennung aus großer Höhe möglich
- Erkennung komplett an Bord des Flugzeugs, keine Verbindung zum Boden notwendig
Damit ergeben sich über die Wettbewerbsaufgabe der NFC22 hinaus weitere Anwendungsgebiete
- Aufnahme von Luftbildern im Katastrophenfall, z.B. bei Überschwemmungen
- Inspektion von Brücken
- Lokalisierung von verbliebenen Personen im Katastrophengebiet
- Erkennung von Waldbränden im Entstehungsstadium
- Auswertung von Luftbildern für die Landwirtschaft
Die Hard und Software für die Survey Mission wurde im Rahmen einer Studienarbeit von Felix Heß und Julian Wollenberg entwickelt.